
Aus dem Leben von Mutter Teresa ist folgende Szene überliefert. Ein Reporter begleitete sie durch die Armenviertel Indiens und sah, wie sie sich um hungernde Straßenkinder und verwahrloste Obdachlose kümmerte. Als sie einen von Geschwüren übersäten Menschen umarmte, sagte er zu ihr: „Nicht für 10 000 Dollar würde ich das tun.“ Mutter Teresa antwortete: „Ich auch nicht.“
Zwei Welten treffen hier aufeinander. Der Reporter ist zwar beeindruckt von dieser großen Heiligen der Nächstenliebe, doch ihr Handeln bleibt für ihn letztlich fremd. Für Mutter Teresa hingegen öffnet sich in derselben Begegnung eine völlig andere Wirklichkeit. Sie sieht in dem entstellten Menschen Christus selbst. Ihr Glaube lässt sie eine Dimension erkennen, die der Reporter nicht wahrnimmt.
Zwei Welten begegnen sich auch, wenn wir zu Weihnachten in die Krippe schauen. Wir sehen zunächst ein in Armut geborenes Kind. Doch der Glaube eröffnet eine neue Perspektive und sagt uns: Dieses Kind ist mehr als ein Mensch. Wer es anblickt, blickt in das Herz Gottes. In Jesus vereinen sich Gott und Mensch. Die Ewigkeit neigt sich herab in unsere Zeit. Zwei Welten wachsen zusammen.
Daraus entsteht auch ein Impuls für unser Zusammenleben. Wenn im göttlichen Kind in der Krippe der größte Gegensatz – der zwischen Gott und Mensch – überbrückt wird, warum sollten dann nicht auch wir Menschen zueinanderfinden, selbst wenn die Gräben tief sind? Wie soll es dann nicht möglich sein, dass wir Spaltung überwinden, Verständnis fördern und das Gespräch miteinander suchen?
In der Geburt Jesu lebt die Hoffnung auf, dass ein friedvolles Miteinander möglich ist. Möge uns das Weihnachtsfest Wege aufzeigen, um Brücken zu bauen, Frieden zu suchen und Gegensätze zu vereinen.
Ihnen allen frohe und gesegnete Weihnachten!
Bischof Benno Elbs